Analysenspektrum Molekulargenetik

Gestationsdiabetes – Paneldiagnostik

OMIM: 125851
Diagnostik:

Sequenzierung und CNV: GCK, HNF1A, HNF1B, HNF4A

Material:

2 ml EDTA-Blut

Analysezeit: 3-4 Wochen
Formulare:  

Die Prävalenz des Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes mellitus) ist in den letzten 10 Jahren in Deutschland sehr stark angestiegen. Im Jahr 2010 lag in Deutschland bei den Müttern in fast 24000 Fällen (3.7%) ein Gestationsdiabetes vor (Perinatalstatistik des AQUA-Instituts). Der Schwangerschaftsdiabetes ist somit die häufigste Erkrankung in der Schwangerschaft. Er stellt die häufigste Ursache für einen intrauterinen Fruchttod dar, ist die häufigste Ursache für Geburtskomplikationen und ist mitverantwortlich für die familiäre Neigung zu Diabetes und Übergewicht.

Modell einer pankreatischen Beta Zelle

Modell einer pankreatischen Beta Zelle

Neben den bekannten Risikofaktoren wie Übergewicht und einem erhöhten mütterlichen Alter sind auch genetische Faktoren (Genetik) bekannt, die einen Schwangerschaftsdiabetes begünstigen. Aufgrund der gestiegenen Prävalenz und der akuten wie auch langfristigen Folgen, die ein Gestationsdiabetes für Mutter und Kind haben kann, wurde 2012 ein Screening-Test auf Schwangerschaftsdiabetes für alle gesetzlich versicherten Schwangeren in Deutschland eingeführt, der von den Krankenkassen übernommen wird.

Dieser Test auf Schwangerschaftsdiabetes wird, wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen, im Zeitraum 24 und 27+6 SSW durchgeführt. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass das Glucokinase (Glukokinase, GCK)-Gen (siehe auch MODY-Diabetes, MODY Typ 2) eine besonders große Rolle bei der Ausbildung eines Schwangerschaftsdiabetes hat. So ist etwa jede 50. Schwangere mit einer Glukosetoleranzstörung Träger einer Mutation im GCK-Gen.

Die aktuelle S3-Leitlinie der Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie für Diabetologie empfiehlt daher eine Analyse des GCK-Gens bei folgenden Kriterien:

Indikation

  • persistierend erhöhte Nüchtern-Blutglukosewerte der Mutter von 99-144 mg/dl
  • geringer Blutglukoseanstieg im oGTT von  <83 mg/dl
  • normaler oder nur geringgradig erhöhter HbA1c-Wert
  • positive Familienanamnese

Fehlende Diabetesfälle in der Familie schließen einen MODY 2 aber nicht aus, da der Diabetes häufig nicht erkannt wird.

Die neuesten, veröffentlichten Daten zeigen, dass insbesondere bei schlanken Schwangeren mit Glukosetoleranzstörung die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass sie Träger einer GCK-Gen-Mutation oder einer HNF4A-Gen-Mutation (MODY 1) sind.

Schwangere mit Gestationsdiabetes und einer Mutation im GCK-Gen oder im HNF4A-Gen haben ein besonders hohes Risiko dafür, dass sich bei ihrem Kind (ohne GCK-Gen-Mutation) ein fetaler Hyperinsulinismus entwickelt. Folgen dieses Hyperinsulinismus können ein starkes kindliches Wachstum während der Schwangerschaft und ein hohes kindliches Gewicht bei der Geburt sein  (Makrosomie, „too big for date“). Das hohe Geburtsgewicht ist mit vielen Risiken verbunden (vaginale Verletzung der Mutter, Schädigung des Kindes, Schulterdystokie, erhöhtes kindliches Geburtsgewicht, Makrosomie). So kann es in den ersten Lebensstunden bei einem makrosomen Kind zu Unterzuckerungen kommen, die in schweren Fällen auch intensivmedizinisch betreut werden müssen (Empfehlung der Fachgesellschaften ist der orale Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75 Gramm Glukose: Bestimmung der Blutglukose postnatal nach 1 Stunde, nach 3 und 12 Stunden und ggf. später; Überwachung einer möglichen neonatalen Hypoglykämie).

Werden Schwangere mit MODY 2 mit Insulin therapiert, um den Blutzucker in den Normbereich zu senken und ist der Fet ebenfalls Mutationsträger, wird die Insulinsekretion des wachsenden Kindes nur unzureichend stimuliert und ein unzureichendes Wachstum des Kindes ist möglicherweise die Folge („too small for date“).

Zur Zeit wird in diesen Fällen vorgeschlagen, die Behandlung der Mutter bei Gestationsdiabetes und Verdacht auf MODY 2 hauptsächlich von der Größe des Kindes in der Ultraschalluntersuchung abhängig zu machen und nur bei sich entwickelnder Makrosomie Insulin zu geben.

Die neuen WHO-Empfehlungen zum Screening auf Gestationsdiabetes stärken die Position der Fachgesellschaften „Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG)“ und „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)“. Den Link zur WHO finden Sie hier.

Der WHO und den Fachgesellschaften ist der vorgeschaltete Suchtest mit 50 g Glukose ein Dorn im Auge, der in den Mutterschaftsrichtlinien festgelegt ist. Bei dem, in den Mutterschaftsrichtlinien empfohlenen Suchtest wird nur einmalig nach einer Stunde der Blutzucker bestimmt und nur bei auffälligem Ergebnis anschließend der 75-g-oGTT mit drei Messungen vorgenommen.

Die Fachgesellschaften stellen in Frage, ob der Suchtest zuverlässig ist und Frauen mit isoliert erhöhtem Nüchtern-Blutzucker erfasst. Möglicherweise könnte ein zweistelliger Prozentsatz an erkrankten Frauen übersehen werden.

Die Kenntnis einer Anlageträgerschaft für eine GCK–Mutation ist daher sehr wichtig, um die Geburt optimal zu planen und zu betreuen. Sie ermöglicht ein optimales Geburtsmanagement und eine individuelle Beratung der Mutter bzw. des Kindes und der Familie auch für die Zeit nach der Schwangerschaft. Neben Mutationen im GCK-Gen lassen sich in seltenen Fällen auch Mutationen in den Genen HNF1A, HNF1B und HNF4A nachweisen.

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