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Die Zukunft hat bereits begonnen

Molekularbiologische Untersuchungen ermöglichen nicht nur eine bessere Risikoabschätzung, sondern auch eine fundierte Wirksamkeitsprognose für die medikamentöse Therapie von Brust- und Eierstockkrebs. Je früher sich Patientinnen testen lassen, desto effektiver die Behandlungsoptionen.

Der Fortschritt in der Onkologie wird vor allem von der Molekularbiologie angetrieben. Je exakter die Wissenschaft die molekularen Ursachen von Krebserkrankungen versteht, desto besser lassen sich Krankheitsverläufe prognostizieren und behandeln. Sie arbeitet mit Hochdruck an Verfahren, die Prävention und Therapie individuell auf den Patienten ausrichten. Diese personalisierte Medizin stellt in weiten Teilen noch eine Vision dar. In der Behandlung von Brust- und Eierstockkrebs hingegen ist sie den Kinderschuhen bereits entwachsen. Eine wichtige Rolle dabei spielen Gentests. Entstehung, Diagnostik und Therapie unterscheiden sich je nach Tumorart erheblich. In manchen Fällen ergänzen Gentests die herkömmlichen diagnostischen Mittel der Wahl (bildgebende Verfahren und Biopsien) und bieten unter Umständen einen nutzenbringenden Erkenntnismehrwert.

Brust- und Eierstockkrebs

Beide Krebsformen weisen häufiger Fehlcodierungen im genetischen Bauplan der Zellen auf, die durch Mutationen des BRCA1- oder BRCA2-Gens während der Zellteilung entstehen. Solche Mutationen können entweder in der Keimbahn vererbt oder erst im Laufe der Zellteilungen erworben werden (somatische Mutationen). Keimbahnmutationen lassen sich in Blutproben, somatische Mutationen im Tumorgewebe und mit einer Biopsie nachweisen. Aber: Nicht jede genetische Veränderung vererbt sich. Dies erfolgt nur, wenn die genetische Veränderung nicht nur in den Tumorzellen, sondern auch in den übrigen Körperzellen und insbesondere den Keimzellenvorliegt. Nur wenn Ei- oder Samenzellen verändertes Erbmaterial aufweisen, wird dieses von den Eltern an das Kind weitergeben.

TNBC

Eine besonders aggressive Form von vererbbarem Brustkrebs stellt der TNBC (triple negative breast cancer) dar. TNBC verdankt seinen Namen der Tatsache, dass ihm gleich drei Defekte zugrunde liegen: eine fehlende bzw. gestörte Bildung des Östrogen-, Progesteron- und HER2-Rezeptors. Patientinnen mit einer BRCA1-Keimbahnmutation weisen ein erhöhtes Risiko auf, an TNBC zu erkranken. Rund 10-15% aller Mammakarzinome fallen in diese Gruppe. TNBC tritt vor allem bei jungen Frauen (jünger als 50 Lebensjahre) und speziellen ethnischen Gruppen (Afroamerikanerinnen, Lateinamerikanerinnen) auf.

 Welchen Nutzen bieten Gentests?

1. Verbesserte Prävention

Wenn sich durch Ihre Familiengeschichte eine ungewöhnliche Häufung an Brust- oder Eierstockkrebs zieht, empfiehlt sich eine humangenetische Beratung. Unter Umständen empfiehlt Ihr Arzt dann einen Gentest, um Ihr Erkrankungsrisiko abzuschätzen. Mit diesem Wissen lassen sich Vorsorgemaßnahmen entwerfen, um frühzeitig eine mögliche Erkrankung zu erkennen. Je früher die Erkrankung diagnostiziert wird, desto besser die Therapiemöglichkeiten.

2. Genauere Prognose

Wir raten bereits erkrankten Patientinnen dazu, sich so früh wie möglich auf eine BRCA-Keimbahn-Mutation testen zu lassen. Denn auf diese Weise lässt sich frühzeitiger feststellen, ob und welche Medikamente einer nachfolgenden Behandlung sinnvoll sind und welche Strategien für die Operationsverfahren gewählt werden sollten. Für diese Patientinnen bieten wir, wenn erforderlich, ein sog. fast track Verfahren an – also eine Untersuchung der Gene BRCA1 und BRCA2 innerhalb von max. 2 Wochen.

Viele Krebs-Medikamente können nur wirken, wenn die zugrundeliegenden Tumorzellen bestimmte Eigenschaften aufweisen. Mit einem Gentest lassen sich prädiktive Faktoren erkennen, die Rückschlüsse über den medikamentösen Behandlungserfolg zulassen. Weist der Tumor bestimmte Eigenschaften nicht auf, bleiben manche Medikamente wirkungslos und richten mehr Schaden als Nutzen an.

Die Bestimmung des Hormonrezeptorstatus sowie des HER2-Status bilden Beispiele für solche prädiktive Faktoren. Werden Hormonrezeptoren nachgewiesen, wächst der Tumor hormonabhängig und kann durch eine Antihormontherapie behandelt werden. Sind besonders viele HER2-Rezeptoren vorhanden, wird eine Anti-HER2-Therapie voraussichtlich wirken.

3. Auswahl von PARP Inhibitoren

Klassische Zytostatika in der Behandlung von Mamma- und Ovarialkarzinomen können in Zukunft für bestimmte Patientinnen noch bessere Ergebnisse erbringen, wenn sie mit neuen Medikamenten kombiniert eingesetzt werden. Dies versprechen sich Mediziner von sogenannten PARP Inhibitoren. Dabei handelt es sich um eine relativ neue, noch kleine Gruppe von Arzneistoffen (z. B. Rubraca, Zejula, Niraparib, Olaparib), die in der Regel als Tablette verabreicht werden. Sie hemmen die Enzyme PARP-1 und PARP-2, die in verschiedener Form bei der Reparatur von geschädigter DNA eine Rolle spielen. Durch diese Blockade zielen sie darauf ab, defekte Zellen weiter zu schädigen, so dass diese absterben und ihre Zerstörungskraft verlieren. Neben Mamma- und Ovarialkarzinomen werden auch zunehmend Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom und Bauchspeicheldrüsenkrebs auf diese Weise behandelt. Insbesondere der Einsatz von Olaparib setzt einen Gentest voraus.

Wer führt die Tests durch?

Genetische diagnostische Test können von jedem Arzt, auch Ihrem Hausarzt, initiiert und in unserer Praxis durchgeführt werden. Prädiktive Tests zur familiären Risikoabklärung dürfen nur von Humangenetikern durchgeführt werden. Sie setzen eine Beratung voraus, für die Sie in unserer Praxis jederzeit einen Termin vereinbaren können.

Sämtliche Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.