Analysenspektrum Molekulargenetik

Von Hippel-Lindau-Syndrom (VHL)

OMIM: 193300
Diagnostik:

Sequenzierung und CNV: VHL

Material:

2 ml EDTA-Blut (2 Röhrchen)

Analysezeit: 4 Wochen
Formulare:  

Das von Hippel-Lindau-Syndrom (VHL, Synonyme: zerebelloretinale Hämangioblastomatose, Retino-Zerebelläre Angiomatose) gehört zur Gruppe der Phakomatosen (siehe auch Neurofibromatose Typ 1) und ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung, bei der in einer Vielzahl von Organen benigne und maligne Tumoren auftreten (v.a. Phäochromozytome (adrenale und extraadrenale), multiple und bilaterale Hämangioblastome der Retina (Netzhautablösung, Makulaödem, Glaukom und Visusverlust sind möglich) und des Zentralnervensystems, v.a.  des Kleinhirns (Kleinhirntumor), sowie Nierenzellkarzinome (Klarzellkarzinome der Niere, häufig multifokal, bilateral, Kapselbildung, multiple Nierenzysten).  Bei ca. 20% der Patienten ist die Erkrankung neu entstanden (Neumutationen). 

Die häufigsten klinischen Symptome bei Tumoren im Kleinhirn sind ein erhöhter Schädelinnendruck, Kopfschmerzen, Erbrechen und Ataxie der Gliedmassen oder des Stamms. Das Lebenszeitrisiko für ein Nierenzellkarzinom (RCC) ist mit 70% sehr hoch. Zusätzlich können Zysten und Zystadenome des Pankreas (Inselzelltumoren), Zystadenome des Nebenhodens, der sog. „endolymphatic sac tumor“ des Innenohrs (Hörverluste sind möglich) und die Angiomatosis retinae vorkommen. In 10 bis 15% aller Fälle liegt einem Phäochromozytom (siehe auch Multiple endokrine Neoplasie Typ 2, hereditäres Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom) ein VHL-Syndrom zugrunde. Die klinische Erstmanifestation liegt meist im 2. bis 4. Lebensjahrzehnt, es kann aber auch schon früher zu Symptomen des VHL kommen. Die Ausprägung der Symptomatik kann intrafamiliär sehr variabel sein.

In Abhängigkeit von der nachgewiesenen Mutation und vom Auftreten eines Phäochromozytoms werden zwei Hauptformen (VHL Typ 1 und 2) des Hippel-Lindau-Syndroms unterschieden. Patienten mit dem von Hippel-Lindau-Syndrom erkranken an Hämangioblastomen und Nierenzell-Karzinomen (Typ 1) bzw. an Phäochromozytomen und/oder Hämangioblastomen und/oder Nierenzell-Karzinomen (Typ 2). Der VHL Typ 2 wird in weitere Subtypen differenziert. Typ 2A ist durch ein niedriges und Typ 2B durch ein hohes Risiko für die Entwicklung von Nierenzellkarzinomen charakterisiert. Beim Typ 2C treten Phäochromozytome isoliert auf.

Differentialdiagnostisch sind weitere Krankheitsbilder wie Multiple Endokrine Neoplasie, Neurofibromatose, polyzystische Nierenerkrankung, Tuberöse Sklerose, Birt-Hogg-Dube-Syndrom und die hereditären Phäochromozytom-Paragangliom-Syndrome auszuschliessen.

Die Prognose wird im wesentlichen durch die ZNS-Tumoren und Nierenkarzinome bestimmt und ist abhängig von der Ausdehnung und dem Organbefall zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sowie der frühzeitigen chirurgischen Behandlung.

Ursächlich sind Mutationen im VHL-Gen, einem Tumorsuppressorgen, das auf der chromosomalen Bande 3p25.3 kartiert und für ein 213 Aminosäurereste umfassendes Protein kodiert. Molekulargenetisch lassen sich bei Patienten mit VHL Typ 1 oft große Deletionen oder das Protein verkürzende (trunkierende ) Mutationen nachweisen. Bei dem VHL Typ 2 treten hingegen häufig „missense“-Mutationen auf.

Einer frühzeitigen diagnostischen Absicherung kommt eine grosse Bedeutung zu und empfiehlt sich zur Prävention und zur Therapie von betroffenen Genträgern. Patienten mit nachgewiesener Mutation im VHL-Gen wird daher eine früh einsetzende Vorsorge empfohlen. Anlageträger sollten in ein entsprechendes, lebenslanges, engmaschiges, interdisziplinäres VHL-Screeningprogramm aufgenommen werden,  um die auftretenden Tumoren in einem frühen Stadium zu identifizieren. Dieses Screening wird bereits ab dem 5. bis 6. Lebensjahr empfohlen. Ein vollständiges Blutbild, die Messung der Katecholamin-Metaboliten im Urin, Urinanalyse und Urinzytologie geben Hinweise auf Polyzythämie, Phäochromozytom, Nierenanomalien und RCC. Bildgebende Verfahren dienen dem Nachweis von ZNS-Tumoren, Phäochromozytom, Tumoren des endolymphatischen Sackes, Nierentumoren und Nieren- und Pankreaszysten.

Indikation:

Eine genetische Testung wird empfohlen bei:

  • einem VHL typischen Tumor unabhängig vom Alter und mit positiver Familienanamnese
  • fehlender Familiengeschichte und mehreren VHL typischen Tumoren (z.B. 2 Hämangioblastome oder 1 Hämangioblastom und 1 RCC)

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