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Kennen Sie Ihr Risiko?

Gebärmutterschleimhautkrebs (Endometriumkarzinom) ist zu einem nicht unerheblichen Teil genetisch bedingt. Mit einem Gentest finden Sie die Wahrscheinlichkeit heraus, daran zu erkranken oder die Krankheit zu vererben. So lassen sich Prävention und Therapie optimieren.

Das Endometriumkarzinom – wie die Fachbezeichnung lautet – entsteht in der Schleimhaut, die die Gebärmutter auskleidet. Manche Frauen glauben, dass dieser Tumor ausschließlich im hohen Alter heranwächst. Dabei unterschätzen sie, dass auch jüngere Frauen davon betroffen sein können, insbesondere im Rahmen sog. genetisch bedingter Tumorsyndrome. Damit sind genetische Risikofaktoren gemeint, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an bestimmten Krebsformen (wie z. B. an erblichen Brust- und Eierstockkrebs) zu erkranken. Häufig tritt das Endometriumkarzinom dann in Kombination mit anderen Tumoren, wie z. B. Darmkrebs, auf. Dies gilt z.B. für das Cowden- und Lynch Syndrom.

Gebärmutterkrebs entsteht entweder durch erworbene, somatische Mutationen oder durch die Kombination einer erblich bedingten Disposition und der Entstehung somatischer Mutationen. Somatische Mutationen bezeichnen Zellveränderungen, die in somatischen Zellen ihren Ausgang nehmen. Dabei handelt es sich um Körperzellen, aus denen – im Unterschied zu den Zellen der Keimbahn – keine Geschlechtszellen hervorgehen. Sie bleiben auf den individuellen Organismus und seinen Träger beschränkt, werden aber nicht an die Nachkommen vererbt. Keimbahnmutationen hingegen übertragen sich von Generation zu Generation. Sie beruhen auf genetischen Codierungsfehlern der DNA, dem Träger der Erbinformationen.

Jeder Mensch besitzt von jedem Gen zwei Kopien (Allele): eines vom Vater und eines von der Mutter. Wenn ein Allel während der Zellteilung Schäden nimmt, repariert die DNA die Zellen im Regelfall. Tragen Mutter oder Vater in ihren Keimzellen jedoch ein defektes Allel in sich, geben sie dieses mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Kinder weiter. Diese sind solange gesund, wie eine intakte Kopie des Gens vorhanden bleibt. Das Risiko, dass es im Laufe des Lebens zu einem Ausfall beider Allele kommt, ist je nach Genveränderung deutlich gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht. Dieser Ausfall beeinträchtigt die DNA-Reparaturfähigkeit der Zellen, so dass in dem entsprechenden Gewebe dann ein Tumor entstehen kann.

Bei Patienten mit Lynch-Syndrom lässt sich im Tumorgewebe, also auch im Endometriumkarzinom, eine sog. Mikrosatelliteninstabilität identifizieren. Mikrosatelliten bezeichnen repetitive (sich wiederholende) Sequenzen im Genom, die sich für Fehler bei der Zellteilung als besonders anfällig erweisen. Beim Lynch-Syndrom z. B. findet sich eine Mikrosatelliteninstabilität in über 95% der Tumore.

Mikrosatelliteninstabile Tumore weisen zudem eine weitere Besonderheit auf. Sie erzeugen eine überdurchschnittliche Immunabwehr des umliegenden Gewebes. Dadurch ist der Organismus in gewissem Umfang in der Lage, Krebszellen als fremd und dem Immunsystem nicht zugehörig zu erkennen und zu bekämpfen. Diesen Mechanismus machen sich neue Medikamente zunutze, die in Kombination mit einer Chemotherapie eingesetzt werden (siehe auch Pembrolizumab – ein neuer genetischer Biomarker für die Therapie bei Darmkrebs und Gebärmutterkrebs). Solche mikrosatelliteninstabilen Tumore kennzeichnen also eine hohe Immunogenität. Damit ist die Fähigkeit von Zellen gemeint, eine Reaktion des Immunsystems auszulösen. Es hat sich gezeigt, dass eine hohe Immunogenität die Überlebensrate deutlich verlängert und verbessert.

Tumore zeigen viele Gesichter

Auch wenn zwei Patientinnen die gleiche Krebserkrankung aufweisen, unterscheiden sich ihre Tumore häufig wesentlich. Diese Unterschiede kommen ans Licht, wenn man die Erbsubstanz (DNA) und andere molekulare Merkmale in den Tumorzellen untersucht. Deshalb bestimmt ein Gentest das individuelle DNA-Profil. Es gleicht einem genetischen Fingerabdruck, der Aufschluss über die individuellen Eigenheiten seines Trägers bringt. Zu diesem Zweck isolieren die Mediziner im Labor die DNA aus dem Blut oder dem Tumorgewebe. Anschließend bestimmen sie durch eine Sequenzierung (siehe auch So funktioniert Genetik) die Reihenfolge der Basen in der DNA. Diese vergleichen sie dann mit den Normalsequenzen einer intakten DNA. Auf diese Weise können sie charakteristische Abweichungen feststellen, die zuverlässig Rückschlüsse auf eine Erkrankung zulassen.

Ein Gentest bringt Gewissheit

Eine genetische Untersuchung im Hinblick auf eine erbliche Form des Endometriumskarzinom empfiehlt sich bei allen Erkrankten unter 50 Jahren sowie in Familien mit gehäuftem Auftreten von Gebärmutter-, Eierstock-, Brust- oder Darmkrebserkrankungen bei nahen Angehörigen. Um Gebärmutterschleimhautkrebs frühzeitig erkennen und heilen zu können, wird in Hochrisikofamilien eine spezielle Abstrichmethode (sog. Pipelle-Methode) in Kombination mit herkömmlichen Früherkennungsuntersuchungen (Tasten, Ultraschall) empfohlen. Auch kann bei bestimmten genetischen Veränderungen erwogen werden, nach Abschluss der Familienplanung die Gebärmutter prophylaktisch zu entfernen.

Keimbahnmutationen sind im Blut nachweisbar und werden mit einem Bluttest bestimmt.

Ein solcher genetischer Bluttest ist schnell, komfortabel und unkompliziert. Gesetzliche und private Krankenkassen übernehmen sämtliche Kosten. Im Wesentlichen bietet er zwei Vorteile:

Prävention. Mit einem Gentest können Sie herausfinden, ob Sie eine familiäre Mutation aufweisen und wie wahrscheinlich es ist, diese weiterzuvererben. Ein Nachweis ermöglicht es Ihnen, Maßnahmen zu etablieren, um eine mögliche Erkrankung frühzeitiger zu erkennen bzw. durch prophylaktische Operationen zu verhindern. Dadurch verbessert sich die Prognose, denn es gilt: Je früher die Erkrankung diagnostiziert wird, desto besser die Heilungschancen.

Therapieoptimierung. Bereits erkrankten Patientinnen ermöglicht ein Gentest eine effizientere und individuellere Therapiegestaltung, da sich seine Erkenntnisse für die Wahl der Medikamente und ggf. der Operation nutzen lassen.

Kein Gentest ohne Beratung

Wichtig: Ein Gentest bringt unter Umständen weitreichenden soziale, rechtliche und emotionale Konsequenzen für die Patientin und ihre Familie mit sich. Er sollte deshalb immer mit einer vorherigen Aufklärung einhergehen. Dies setzt laut Gendiagnostikgesetz eine genetische Beratung voraus.